Sabine Gollner, Künstlerkolonie KÜKO Fichtelgebirge e.V., Bad Berneck
Sabine Gollner arbeitet fachübergreifend – im Schnittbereich von Architektur, Film & Kunst. Sie gründete 1996 eine interdisziplinäre Medienfirma in England, die sie seit 2011 mit ihrem Partner in Bad Berneck im Fichtelgebirge betreibt. Als selbstständige Impulsstrategin konzeptioniert, berät und begleitet sie Modellprojekte für Kommunen und Kreise, z.B. die App „QR-Tour“ (Bayerischer Tourismuspreis 2016, 2. Platz). Für erfolgreiches Kulturmanagement in der Regionalentwicklung erhielt sie 2018 den Kulturpreis des Landkreis Bayreuth.
2011 initiierte sie das Netzwerk KÜKO. Es ist inzwischen bundesweit das größte ländliche Netzwerk von Kultur- & Kreativschaffenden und führt viele innovative Projekte durch. Mit ihrem Hauptfokus „Kreativschaffende in der Regionalentwicklung“ betreibt sie Lobbyarbeit für Kreativschaffende im Ländlichen Raum. Im Bayerischen Landesverband der Kultur- & Kreativwirtschaft, dem BLVKK e.V., leitet sie das Team „Stadt-Land-Dialog“.
© KÜKO Fichtelgebirge
Mehrwert von Kreativschaffenden
Um neue Impulse von Kreativschaffenden zu erhalten, lädt der Landkreis Wunsiedel Künstler und Kreative gezielt in die Region ein, wie Sabine Gollner, Vorsitzende im KÜKO e.V. erzählt: „Umworben werden kreative Menschen, die ihren Raum mitgestalten und teilhaben wollen am gesellschaftlichen Wandel. Hier in den kleinen Orten und Gemeinden kann man die Resultate der eigenen Arbeit viel direkter spüren und sehen, was passiert, wenn man sich einbringt. Das ist in den Metropolen sehr viel schwerer. Auf dem Land rufe ich einfach den Bürgermeister an, wenn mir wieder irgendeine Aktion einfällt.“
Gollner weist auch auf den wirtschaftlichen Schneeballeffekt hin. Wenn eine Region nach und nach attraktiver wird, ziehen mehr Menschen dorthin: „Vielleicht können wir hier sogar teilhaben an einer positiven Gentrifizierung: Jetzt günstig ein Haus kaufen und es in einigen Jahren möglicherweise mit Gewinn weiterverkaufen. Dann eventuell weiterziehen und helfen, andere Orte zu beleben. Eine Gentrifizierung, von der auch Kreative profitieren, kann auch im ländlichen Raum funktionieren.“
Storytelling und Sichtbarkeit
Bau- und Sanierungsprojekte, die in der Region bereits erfolgreich realisiert wurden, macht eine Film-Kampagne sichtbar. Sie entstand im Auftrag des Landkreises Wunsiedel, gefördert vom Regionalmanagement Bayern, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Gute Beispiele strahlen über die Region hinaus und ziehen neue Fachkräfte und Kreative an. Sabine Gollner: „Es gibt genug Kreative in der Region, die porträtiert werden können und die Mut und Lust auf die Region machen. Menschen, die zeigen können, hier ist eine andere Art des Arbeitens möglich: weniger Hektik, mehr Freiraum, entspannte Wege und – vor allem – günstiger Arbeits- und Lebensraum. Abgesehen von dem Werbeeffekt nach außen können solche Portraits der Kreativen auch nach innen wirken. Regionale Kreativschaffende werden gestärkt und ermutigt, auch sich selbst sichtbarer zu machen.“
© KÜKO Fichtelgebirge
Vorteile eines Kreativ-Netzwerks
Sabine Gollner kam im Jahr 2011 mit ihrer Familie nach Bad Berneck. Sie hatte zuvor im britischen Birmingham Architektur studiert und auch einige Jahre in der Film- und Fernsehproduktion gearbeitet. Im Fichtelgebirge gründet sie mit ihrem britischem Partner ein neues Unternehmen: die Kreativagentur It’s About Time. Sie konzipieren kreative Projekte speziell für den ländlichen Raum im Bereich Tourismus, Stadt- und Regionalentwicklung mit dem Fokus auf das Fichtelgebirge und Oberfranken. Die Projekte realisieren sie mit Partnern aus dem Netzwerk. Die QR-Tour Bad Berneck & Goldkronach z. B. ist ein europäisch gefördertes Pilotprojekt für Kultur- und Tourismus, das 2016 mit dem ADAC Tourismuspreis Bayern ausgezeichnet wurde.
© Sabine Gollner
Im November 2011 hat Gollner die Künstlerkolonie-Fichtelgebirge initiiert und ist seitdem Vorsitzende des Vereins – mit über 130 Mitgliedsunternehmen und Selbstständigen, eine Plattform und ein Netzwerk für Austausch und gegenseitige Inspiration. Das Community building erfolgt über Facebook mit derzeit fast 900 Abonnenten. Die Kreativen beweisen, dass Kultur die Regionalentwicklung beflügelt, dass sie als Motor und Impulsgeber wirkt. KÜKO initiiert immer wieder neue Kampagnen und Aktionen mit dem Ziel, Kreativschaffende vor allem mit der lokalen Wirtschaft zu verbinden. Ein Film-Clip gibt einen Überblick über die Vielfalt der Kreativschaffenden im Fichtelgebirge.
KreativLandTransfer: best practice
2020 wurde KÜKO im bundesweiten Programm KreativLandTransfer als best-practice-Projekt ausgewählt, denn: KÜKO ermöglicht mit besonderen Ansätzen kulturelle und lebendige Orte im ländlich Raum und stärkt die Region sozial, wirtschaftlich und kulturell. Die ausgewählten Projekte haben durch ihr herausragendes Engagement Vorbildswirkung für AkteurInnen in ganz Deutschland. In den kommenden Monaten werden sie ein Konzept erstellen, um ihre Erfahrungen an entstehende aussichtsreiche Projekte weiterzugeben. Mit fachlicher und organisatorischer Unterstützung von ExpertInnen und Coaches werden die Kenntnisse zudem in einem virtuellen Lernraum an die NachahmerInnen weitergegeben.
Antje Hinz befragte Sabine Gollner für die Studie (2020): Standortoffensive Westmecklenburg: Wirtschaftsförderung 4.0 durch Kultur- und Kreativwirtschaft . Online-Umfrage, qualitative Interviews und Strategiekonzept. Hier mehr…
Text: Antje Hinz