Fünf Jahre lang leitete Jürgen Enninger in München das Kompetenzteam für Kultur- und Kreativwirtschaft. Seit Oktober 2020 ist er in Augsburg Referent für Kultur, Welterbe und Sport.
„Sich in der drittgrößten Stadt Bayerns für Kultur und Sport einsetzen zu dürfen, ist eine große Ehre“, sagt er. „Kultur ist stets der Puls einer Stadt.“
Antje Hinz interviewte Jürgen Enninger (ab Minute 18:20) für die Studie (2020): Standortoffensive Westmecklenburg: Wirtschaftsförderung 4.0 durch Kultur- und Kreativwirtschaft. Online-Umfrage, qualitative Interviews und Strategiekonzept. Hier mehr…
Von 2016-2020 war Enninger auch Sprecher im Netzwerk der öffentlichen Fördereinrichtungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland Promoting Creative Industries PCI – gemeinsam mit Egbert Rühl von der Hamburg Kreativgesellschaft. Das Netzwerk bündelt Kompetenzen und Interessen von aktuell gut 40 lokalen und regionalen öffentlichen Förderern der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dieser Zusammenschluss stärkt die Branche als Ganzes und erhöht ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Das “PCI” ist ein wichtiger Partner, wenn weitere Programme für die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt werden. Das PCI will Kommunen noch stärker ermutigen, mehr Kreative in die Raumkonzeptentwicklung einzubeziehen. Wirtschaftsförderern legt Enninger ans Herz, nicht immer nur sehr groß zu denken, z. B. an 200-Mann-Baubetriebe. Die Kreativwirtschaft mit ihren 12 Teilbereichen sei doch erfahrungsgemäß wesentlich kleinteiliger. Entsprechend kleinteiliger ist der Bedarf von Räumen mit etwa 25 bis 50 Quadratmetern für ein bis vier Menschen bzw. Firmen, d. h. es bedarf einer extremen Umstellung eines klassischen Wirtschaftsförderers, damit der nicht immer nur in Masse rechnet.“
Geschichte des Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft in München
Das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München wurde 2014 vom Stadtrat referatsübergreifend initiiert und dient als zentrale Anlaufstelle für alle Akteure der Kreativbranche in München und den Landkreisen der Metropolregion. Das Kompetenzteam ist fest etabliert und wird als Teil der Stadtverwaltung dauerhaft mit einem Jahresbudget von 700.000 Euro finanziert, Miete, Personal mit 8,5 Arbeitsplätzen, Overhead, Projektmittel, Fördermittel inbegriffen.
Jürgen Enninger: „Was den Masterplan für die Kultur- und Kreativwirtschaft angeht: Ja, der Stadtrat hat tatsächlich in einer sehr visionären Entscheidung eine Matrix Organisation in der Verwaltung beschlossen, die die Kulturverwaltung, die Wirtschaftsförderung und die kommunale Liegenschaftsverwaltung in einem Team verbindet unter meiner Leitung. Das ist ein sehr, sehr mutiger Schritt gewesen, weil es die Ressourcen bündelt. Es ist wie so oft: Die Summe ist mehr, als ist die Einzelteile und einen echten Mehrwert für Kreative stiften kann. Offenheit und Toleranz ein zentraler Schlüsselfaktor für die Attraktivität und den Standort unter Fachkräften aller Art, nicht nur aus der Kreativwirtschaft. Das hat der Creative City Index gerade wieder mal festgehalten. Je die vielfältige diverser, desto spannender für die Branche.“
Angebote
Unterstützung gibt das Kompetenzteam den Kreativen in allen wirtschaftlichen Belangen. Es geht auch um mehr Wertschätzung und Sichtbarkeit für kreativwirtschaftliches Arbeiten, um eine niedrigschwellige Beratung, bessere Vernetzung. Inzwischen gibt es vielfältige Beratungsformate, Qualifizierungs- und Vernetzungsveranstaltungen, um Crowdfunding und eben auch um Unterstützung bei der Raumsuche und Zwischennutzungen. Jürgen Enninger: „Wir setzen auf kostenlose Beratungsleistungen, jeder kann kommen. Da geht es um die wirtschaftliche Ausrichtung, um Akquise, Preisbildung, Crowdfunding, Internationalisierung und um das wichtige Thema Netzwerke. Wir versuchen, neue junge Kreative hier in die etablierten Netzwerke reinzubekommen. Wir helfen bei Raumvermittlung auf allen Ebenen, vom Schaufenster am Marienplatz über Design- und PopUpStores bis hin zu längerfristigen Nutzungen.“
Neue Raumkonzepte
Der Standort München ist für Unternehmen generell attraktiv und beliebt, nicht zuletzt wegen der Nähe nach Italien und Österreich. Doch die Mietpreise für Büros in zentraler Lage sind zum Teil exorbitant hoch. Das führt dazu, über neue Raumkonzepte nachzudenken, wie Jürgen Enninger erklärt: „Multi-Codierung, Parallel-Nutzung, Sharing Modelle sind in München ganz stark virulent, weil der Druck so extrem stark ist. Die Wechselwirkungen zwischen München und dem Umland München sind sehr eng. Wir leiten hier in der Metropolregion München zum Beispiel auch den Arbeitskreis Konversionsflächen, wo wir dann versuchen, das gemeinsam mit den Landkreisen zu entwickeln. In der Metropolregion München haben wir Städte wie Ingolstadt, Augsburg, Rosenheim, die im bayerischen Kontext mit zu den größten Städten zählen und damit automatisch enge Wechselwirkungen und Pendelbewegungen erwarten.“
Coworking
Bei der Raumentwicklung und Umnutzung sieht Enninger bei Kreativschaffenden eine wichtige Funktion als Vermittler, Vernetzer, Quer- und Vorausdenker. In Bayern sind Kreative z. B. aus dem Architekturbereich als Berater für Kommunen tätig und entwickeln in interdisziplinären Teams neue Nutzungskonzepte: „Kreative haben schon viele neue und innovative Nutzungskonzepte für Immobilien aller Art entwickelt: Coworking, PopUp, Zwischen- und Parallelnutzung, temporäre Nutzungen. Kreative bieten Lösungen für komplexe Fragestellungen im Immobilienbereich an, deswegen kann ich alle Akteure in Städten und Kommunen nur ermutigen, mehr Kreative in die Raumkonzeptentwicklung einzubeziehen.“
Text: Antje Hinz